Kloster und Klosterkirche nach 1945


 

Am 16. März 1945 kehrten die ersten Flüchtlinge aus der Evakuierung zurück. Ihnen bot sich ein schreckliches Bild: Zahlreiche Häuser waren zerstört, fast jedes Haus war durch Artilleriebeschuss beschädigt, Wohnungen waren ausgebrannt und ausgeplündert, in Kellerräumen fanden sie die Leichen gefallener Soldaten. Auf den Straßen lagen die Kadaver erschossener Pferde und Kühe. Zerstörte Panzer standen in den Feldern. Straßen, Wiesen, und Gärten waren durch Panzerfahrzeuge zerwühlt.

 

Die Dächer von Kirche und Pfarrhaus waren zum Teil abgedeckt, die Dachstühle beschädigt und die Ferster zerborsten. Beide Gebäude waren im Inneren völlig verwahrlost. Türen, Einrichtungen und Installationen waren entweder verschwunden oder mutwillig zerstört. Die Paramente, d.h. die liturgischen Gewänder und die Altartücher fehlten vollständig. Ferner war fast der gesamte Bestand an Bildern, Karten, Büchern und Akten verschwunden.

 

Auch die Gebäude des Klosterhofs, das Wohnhaus und der Turm der ehemaligen Klosterkirche wiesen große Schäden auf. Das an den Turm angrenzende Dach des Wohnhauses war durch eine Granate beschädigt worden. Einige Zeit später trug ein Sturm das Dach ab. Das Gebäude wurde zunächst notdürftig abgedeckt und erhielt danach ein Flachdach. Das Dach der südlichen Gebäudehälfte war undicht geworden, wodurch Gebälk und Gemäuer mit der Zeit morsch wurden. Dieser Gebäudeteil war seit Ende der 1940er Jahre nicht mehr bewohnt und verfiel zusehends.

  

 

 

 

Innenhof der Klosteranlage mit Mistgrube.
Aus dem Turmdach wachsen junge Birkenbäume.
Foto: unbekannt 1959, Pfarrarchiv

 

Die Witwe von Christian Koch verkaufte Ende der 1940er Jahre ihren Anteil am Klosterhof an die Fa. Rhein-Braun und baute in Weisweiler die elterliche Gaststätte auf.

Die Witwe von Wilhelm Koch, Frau Gertrud Koch, war nun alleinige Eigentümerin des Klosterhofs und führte die Landwirtschaft bis 1950 fort. Da der Wirtschaftshof danach nicht mehr genutzt wurde, verfielen die Gebäude immer mehr. Frau Koch wohnte in der Hälfte des Wohnhauses neben dem Turm.


 

Nach den vorliegenden Urkunden hatte 1450 der Ritter Gotthard von Bongart gemeinsam mit seiner Gemahlin den Nonnen eine großzügige Schenkung zukommen lassen. Daher galt das Jahr 1450 als das Gründungsjahr des Klosters. Deshalb beging 1950 die Dorfgemeinschaft mit einem Festumzug die 500-Jahr-Feier des Klosters. An der Spitze des Festzugs ritt St. Georg hoch zu Ross als römischer Offizier, begleitet von sechs Knappen. Auf einem Wagen saßen Mädchen gekleidet als Nonnen, auf einem weiteren ritten Jungen als "Stoppelhusaren" auf ihren Holzpferdchen in einem Stoppelfeld. Die Bezeichnung "Stoppelhusaren" sollen die St. Jöriser nach einer Begebenheit aus der Schlacht bei Aldenhoven am 1. März 1783 erhalten haben. Danach haben sich die Bauern aus St. Jöris an diesem Tag tapfer am Kampf der Österreicher gegen die Franzosen auf der Begauer Heide beteiligt.

 

 

 

 

 

 

Festumzug 1950. St. Georg hoch zu Ross.
Foto: Matthias Knieper, 1950
 

 

Festumzug 1950. Jungen als "Stoppelhusaren". Oben trohnt Marga Packbier als "Prinzessin" der Husaren.
Foto: Matthias Knieper, 1950

 

 

 

 

 

 

 

Festumzug 1950. Mädchen als "Nonnen" vor dem Kloster. Foto: Matthias Knieper, 1950

 

Festumzug 1950. Im Hintergrund die Klosterkirche ohne Dach. Foto: Matthias Knieper, 1950

 

Heinrich Candels, Lehrer an der St. Jöriser Volksschule, und Pfarrer Heinrich Prinz konnten wenig später jedoch die Einweihung des Klosters für das Jahr 1276 nachweisen. So feierten die Dorfbewohner 1976 kurz entschlossen das 700-jährige Bestehen des Klosters.


 

Der Turm der Klosterkirche war seit Sommer 1944 unter Beschuss geraten, da in ihm eine Funkstelle untergebracht war. Nach Kriegsende wurden jedoch keine Instandsetzungsarbeiten am Mauerwerk vorgenommen. Im Laufe der Jahre wuchsen bereits zwei kleine Birkenbäumchen aus dem morschen Dach.

 

 

 

 

Blick auf den Turm vom Garten (Osten) her.
Links: Wohnhaus. Rechts: Ruine der Klosterkirche.
Foto: unbekannt 1959, Pfarrarchiv

Das große Turmfenster oberhalb des Eingangs war zugemauert.
Foto: unbekannt 1959, Pfarrarchiv

Der Turm der Klosterkirche mit neuer Dachhaube
und ausgebessertem Mauerwerk.
Foto: unbekannt 1960, Pfarrarchiv

 

 

 

Auf Anregung von Pfarrer Prinz ließ die Zivilgemeinde Kinzweiler unter Einbeziehung des Landeskonservators vom Herbst 1959 bis zum Frühjahr 1960 einen neuen Dachstuhl aufsetzen, der in einem massiven Gesims aus Beton verankert wurde. Ausgebessert wurde auch zerstörtes Mauerwerk an den Schallöffnungen der Glockenstube. Abschließend erhielt der Turm eine vollständig neue Dachhaube. Dabei wurde die seit 1902 bestehende niedrige vierseitige Form beibehalten, denn ursprünglich hatte der Turm einen achtseitigen hohen Helm.

 


 Die Restaurierung der Klosterkirche

 

1963 verkaufte Frau Gertrud Koch den Klosterhof mit dem Weiher und den Wiesen an die Zivilgemeinde Kinzweiler. Die Gemeinde plante, alle Gebäude der Klosteranlage einschließlich der Klosterkirche abzureißen, um auf dem Gelände Wohnungen zu errichten. Nur der Turm sollte inmitten einer kleinen Parkanlage erhalten bleiben.

 

Der Landeskonservator willigte schließlich in den Abriss der Wirtschaftsgebäude und der Klostermauern unter der Bedingung ein, dass Turm und Klosterkirche erhalten und in ihrer baulichen Substanz gesichert würden. Ebenfalls erhalten werden sollte das Klostergebäude. Frau Gertrud Koch als Eigentümerin wohnte in dem Teil mit dem Flachdach.

Der Abriss der Scheunen, Stallungen und Mauern begann im Februar 1965.

Im Laufe des Jahres 1966 erfolgte die Erschließung des Neubaugebietes Klosterhof mit Kanalisierung und Straßenbauarbeiten. Gleichzeitig wurde der Merzbach reguliert und in Rohren durch das Baugebiet geleitet. Schon Anfang Januar 1967 zog die erste Familie in ihr Haus an der Straße "Am Klosterhof" ein.

Im Oktober 1971 begann in Abstimmung mit dem Landeskonservator die Restaurierung der alten Klosterkirche. Nach notwendigen Aufräumarbeiten wurden fehlende Teile des Mauerwerks mit noch vorhandenen Bruchsteinen aufgemauert und Öffnungen verschlossen. Abschließend erhielten die Mauern einen Betonkranz, der später das Dach tragen sollte. Mit der kommunalen Neugliederung zum 1. Januar 1972 wurde die Gemeinde Kinzweiler Teil der Stadt Eschweiler. Damit war die ehemalige Klosterkirche nun Eigentum der Stadt Eschweiler, die im zweiten Bauabschnitt das Dach aufsetzen ließ. Die Kosten dafür übernahmen der Landeskonservator und die Stadt. Weitere Arbeiten wurden in den folgenden zehn Jahren nicht durchgeführt.

Wegen der verhältnismäßig hohen Instandsetzungskosten sollte der südliche Teil des Wohngebäude doch nicht erhalten werden und er verfiel immer mehr. Nachdem im Winter 1972/73 durch einen Sturm Teile des Daches und des Mauerwerks eingestürzt waren, begannen im Frühjahr 1973 die Abbrucharbeiten.

 

 

Foto: J. Schmitz, EVZ 25.04.1973


 

Als 1980 gab es Überlegungen, neben notwendigen Arbeiten an Dach und Mauerwerk, auch den Innenraum der Pfarrkirche zu renovieren und mit einem neuen Anstrich zu versehen. Als Ausweichort für die Sonntagsgottsdienste bot sich die ehemalige Klosterkirche an. Pfarrer Stephan Schmitz wandte sich daher an die Stadt Eschweiler als Eigentümerin mit der Bitte, die Klosterkirche vorübergehend für Gottesdienste nutzen zu dürfen. Die Stadt gab die Zusage mit der Auflage, dass Aufräum- und Sicherungsarbeiten vorgenommen würden. Da die Arbeiten aber nicht so ausgeführt wurden, wie es vorgesehen war, verfügte die Stadt einen Baustopp. Erst sollte ein Ansprechpartner gefunden werden, um das weitere Vorgehen bei den Sicherungsarbeiten planen zu können. So wurde die Idee geboren, einen Förderverein zu gründen.

 

Ende März 1982 gründeten St. Jöriser Bürger den Förderverein Zisterzienserinnenkloster e.V. mit dem Ziel, die ehemalige Klosterkirche zu restaurieren und zu erhalten. Im Februar 1983 kaufte der Förderverein die ehemalige Klosterkirche von der Stadt Eschweiler für den symbolischen Betrag von 10 DM. Nun konnte der Verein die Restaurierung des Gebäudes in Angriff nehmen.

 

Ab dem Sommer bis Ende November 1983 erhielt die Pfarrkirche dem neugotischen Baustil entsprechend einen neuen Innenanstrich. Während dieser Zeit wurden die Sonntagsgottesdienste in der ehemaligen Klosterkirche gefeiert.

 

Im Oktober 1985 waren die Restaurierungsarbeiten in der Klosterkirche abgeschlossen und der Förderverein lud die Dorfbewohner zu einem "Klosterfest" ein. Am 1. März 1986 erfolgte die festliche Einweihung als neues Kulturzentrum des Ortes.

 

Seitdem wird die ehemalige Klosterkirche als "gute Stube" des Dorfes genutzt, die der Förderverein seinen Mitgliedern und den St. Jöriser Vereinen für Feiern und Veranstaltungen zur Verfügung stellt. An mehreren Terminen im Jahr finden hier auch standesamtliche Trauungen statt.


 

Die eine Hälfte des ehemaligen Wohnhauses mit der inneren Klosterpforte, die ehemalige Kirche des Klosters und der Turm sind nunmehr die bescheidenen Reste der einst stolzen Klosteranlage.

 

 

Foto: Günter Liedtjens, 2007

 


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