Die Entwickung des Klosters und des Dorfes


 

Bald nach der Gründung werden sich Siedler eingefunden haben, die im Schutz des Klosters sesshaft wurden. Sie verrichteten auch landwirtschaftliche und handwerkliche Arbeiten für das Kloster und bildeten die Keimzelle des Dorfes St. Jöris. Das Dorf und seine Bewohner gehörten zum Territorium der Herrschaft Kinzweiler.

Die  Bewohner des Dorfes unterlagen in kleineren und mittleren Strafsachen dem Gericht in Kinzweiler. Als höchster Beamter und Stellvertreter des Grundherrn übte der Schultheiß die Gerichtsbarkeit aus.

Neben der Landwirtschaft spielte für die Klöster die Fischhaltung auch eine wichtige Rolle. Die Lage des Klosters St. Jöris am Merzbach bot dafür ideale Voraussetzungen. So umschloss ein breiter Wassergraben die gesamte Klosteranlage, von dem noch ein kleiner Teil als "Klosterweiher" erhalten ist. Am Merzbach in Richtung Kinzweiler befand sich eine Reihe von Fischteichen.

Ohne Unterbrechung bestand das Kloster die folgenden Jahrhunderte und erlangte durch fromme Stiftungen und Schenkungen Ländereien und Waldbesitz und kam so zu Wohlstand.

 


 

In der Volksfrömmigkeit spielte die Reliquienverehrung eine große Rolle. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts besaß das Kloster verschiedene Reliquien. Die wichtigste war die Kopfreliquie der hl. Regina, die seit 1312 im Kloster aufbewahrt wurde.

Der Todestag der hl. Regina, der 7. September, entwickelte sich schon bald zu einem Tag der besonderen Verehrung. Zum Reginenfest kamen alljährlich zahlreiche Pilger nach St. Jöris. Schließlich verlief nicht weit vom Kloster entfernt auf der ehemaligen römischen Heerstraße ein Pilgerweg nach Aachen.

Später erhielt das Kloster durch eine Stiftung ein 1,80 m hohes gotisches Kruzifix, das von einem unbekannten Meister um 1350/1360 geschaffen wurde. Heute befindet sich das kostbare Kreuz in der St. Jöriser Pfarrkirche.

Dieses Kreuz hing wahrscheinlich als Triumphkreuz vor dem Chor, dem Laienschiff und der Nonnenempore zugewandt.

 

 

 

 Das Triumphkreuz der Klosterkirche.
Foto: Günter Liedtjens, 2007

 

Die Reliquienbüste. der hl. Regina
aus: H. Candels, a.a.O.  Seite 50.

 


 

In den folgende Jahrhunderten durchlebte das Kloster die Höhen und Tiefen der Geschichte, und so wechselten sich Blütezeiten mit Jahrzehnten völliger Verarmung ab.

 

Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Klosters markiert das Jahr 1450. In diesem Jahr erhielten die Nonnen von Gotthard von Bongart, Ritter und Erbkämmerer des Landes von Jülich, und seiner Gemahlin Kunigunde von Bourscheidt eine großzügige Schenkung. Mit diesen Mitteln konnte der Konvent die Klostergebäude ausbauen bzw. erneuern. Wahrscheinlich wurde damals auch der Turm erbaut.

 

Immer wieder gab es auch Zwistigkeiten mit Klosterdienstleuten oder Streitigkeiten mit Pächtern, die ihre Abgaben nicht pflichtgemäß entrichteten. Solche Fälle wurden vor dem zuständigen Gericht in Kinzweiler verhandelt. Nach dem Aussterben der Kinzweiler Ritterfamilie (1441) versuchten die nachfolgenden Herren von Kinzweiler mehrfach vergeblich die Zuständigkeit ihres Gerichtes auch auf das Kloster auszudehnen.

 


Kriege des 16. - 18. Jahrhunderts

 

Im 16., 17. und 18. Jahrhundert bestimmten immer wieder Kriegsereignisse das Leben der Menschen in unserer Gegend. Es begann 1542/43 mit der Jülicher Fehde zwischen Kaiser Karl V. aus dem Hause Habsburg und dem Jülicher Herzog Wilhelm V. um das Herzogtum Geldern. Danach folgte ab 1568 der 80-jährige Freiheitskampf der sieben nördlichen Provinzen der spanischen Niederlande gegen den König von Spanien. Im Jahre 1522 waren die Niederlande, dazu gehörten die heutigen Niederlande, Belgien und Luxemburg in den Besitz der spanischen Linie des Hauses Habsburg gelangt. Selbstständig blieb das Fürstbistum Lüttich innerhalb der spanischen Niederlande. Die Sieben Vereinigten Provinzen der Niederlande erhielten im Westfälischen Frieden von 1648 ihre Unabhängigkeit von Spanien. Von 1618-1648 tobte der Dreißigjährige Krieg, in dessen Verlauf Eschweiler 1642 geplündert wurde. Söldner aus allen Teilen Europas zogen in diesen Jahren immer wieder als Freund oder Feind durch das Land und sie nahmen sich, was sie brauchten.

 

Nach einigen Jahrzehnten der Ruhe fielen 1687 die Truppen Ludwigs XIV. in die hiesige Gegend ein. 1678 wurde Eschweiler niedergebrannt. Die verschiedenen Kriege Ludwigs XIV. zogen sich bis zum Ende des Jahrhunderts hin. Danach folgte der Spanische Erbfolgekrieg (1702-1713). Danach fielen 1714 die südlichen spanischen Niederlande (Belgien, Luxemburg, aber ohne das Fürstbistum Lüttich) als österreichische Niederlande an das habsburgische Erzherzogtum Österreich. Weitere Kriege, in denen Truppen auch durch unsere Gegend zogen, waren der österreichische Erbfolgekrieg (1740 - 1748) und schließlich der Siebenjährige Krieg (1756-1763). Seit 1792 drangen die französischen Revolutionsheere in das Rheinland ein.

 

Während dieser zahlreichen Kriege zogen immer wieder plündernde, brandschatzende und marodierende Truppen durch das Land und verschonten dabei auch nicht das Dorf und das Kloster St. Jöris. Da damals der Krieg sich selbst zu ernähren hatte, nahmen sie Vieh mit, beschlagnahmten Pferde und Fuhrwerke, verlangten Verpflegung für sich und für ihre Pferde. Zudem mussten oft Kriegszahlungen geleistet werden. Die angerichteten Kriegsschäden bedrohten mehrfach die wirtschaftliche Existenz des Klosters.

 

Besonders gefürchtet waren die Einquartierungen von Soldaten, da diese "Gäste" oft schrecklich hausten, Hausrat und Mobiliar mutwillig zerstörten und verbrannten, sowie Gärten und Felder zertrampelten.

 

Manchmal scheint für die Nonnen die Flucht die einzige Möglichkeit gewesen sein, um ihr Leben zu retten. So flohen sie Anfang 1644 in das Kloster Wenau. Da auch dort eine Besetzung durch Soldaten zu befürchten war, flüchteten die Nonnen vorübergehend zu ihren Eltern oder zu Verwandten.

 

Zu den Gräueln des Krieges kam noch hinzu, dass sich in den Jahren 1520, 1567 und 1576 die Pest, der Schwarze Tod, in unserer Gegend ausbreitete.

 


Niedergang und Erneuerung

 

Der Alltag im Kloster mit den Stundengebeten, dem Schweigegebot, den Arbeiten und den wenigen Mahlzeiten, erforderte ein großes Maß an Disziplin und Enthaltsamkeit (Askese) von den Nonnen.

 

Doch schon Ende des 13. Jahrhunderts begannen sich die Zisterzienser von ihren Gründungsidealen zu entfernen. Viele Klöster waren im Laufe der Jahre zu Wohlstand gelangt. Zeitgeist und Wohlstand führten dazu, dass die asketische Lebensführung aufgeweicht wurde und sich die Klosterzucht lockerte. Manche Klostergemeinschaft führte einen aufwendigen Lebensstil.

 

Diesem Zeitgeist nachgebend, lockerten die Ordensoberen nach und nach die strengen Vorschriften. So erlaubte z.B. ab 1485 das Generalkapitel Fleisch an zwei Werktagen und am Sonntag, später auch noch ausländische Gewürze (Pfeffer, Ingwer).

 

Im Laufe der Zeit handelte man schließlich nach dem der Klosterspruch: "Bona culina, bona disziplina - gute Küche, gute Disziplin". Folgerichtig verlangte der Visitator-Abt von Himmerod 1687 von der Äbtissin dafür Sorge zu tragen, dass eine ausreichende Ernährung gewährleistet sei, um jeden Anlass zur Klage und zur privaten Vorsorge vermieden zu sehen.

 

Auch schliefen die Nonnen nicht mehr im gemeinsamen Schlafsaal. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der Einbau von Privatzellen im Schlafsaal gestattet. Vor den Zellen standen die Kleidertruhen der Nonnen.

 

Im Kloster St. Jöris kam noch hinzu, dass sich Ende des 17. Jahrhunderts einige Äbtissinnen verantwortungslos verhielten und die Ordensregeln missachteten. Sie vernachlässigten die Güterverwaltung und nahmen ungeeignete Kandidatinnen als Novizinnen auf. Der religiöse Tagesablauf, die regelmäßige Kommunion, die Fastengebote und die strenge Klausur wurden nicht mehr eingehalten. Zu den klösterlichen Festen wurden üppige Gastmähler gegeben. Nonnen durften in Gesellschaft von Männern zu Ausfahrten das Kloster verlassen. 1752 wurde sogar die amtierende Äbtissin abgesetzt.

 

Wenige Jahre später drohte sogar die Aufhebung des Klosters. Die Ordensoberen wollten das Kloster jedoch nicht aufgeben. Deshalb übertrugen sie 1759 dem Abt von Altenberg die Aufgabe, das klösterliche Leben zu erneuern. Dazu nahm er zuerst die Neuwahl der Äbtissin vor und führte sie in ihr Amt ein. Geeignete Novizinnen wurden aufgenommen. Der Konvent lebte nun wieder nach den Regeln der Zisterzienser. In seinen Visitationsberichten vermerkte er, dass das Kloster gut geleitet und die Ordensdisziplin eingehalten werde. Das religiöse Leben der Nonnen beschrieb er als vorbildlich.

 


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