Chronik des K.St.V. Alania-Breslau zu Aachen im KV

Zeitgeist 1905

 

Vor 100 Jahren herrschten natürlich ganz andere Zeitumstände als heute. Und es ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht einfach, sich in die Zeit zu versetzen, als die Gründungsväter unsere Alania aus der Taufe hoben. In welchem geistigen Umfeld die Gründung des K.St.V. Alania erfolgte, gibt die Predigt wieder, die AH Prof. Dr. theol. Emil Brzoska während des Festgottesdienstes zum 50. Stiftungsfest in der Salvatorkirche hielt. AH Robert Thiell fasste die Ausführungen zum Fahnenspruch im Alanenbrief wie folgt zusammen:

"Um die Jahrhundertwende mußte sich der junge Katholik mit dem weltanschaulichen Liberalismus auseinandersetzen, der alles zu relativieren versuchte und die Möglichkeit einer objektiven Wahrheit bestritt. Der zweifelnden Frage, was Wahrheit ist, wagten die ersten Alanen ihren Wahlspruch gegenüberzustellen, der vom Glauben an eine allumfassende und unveränderliche Wahrheit zeugt; ohne eine solche ist Recht undenkbar. "Wahrheit und Recht" sind zwei unlösbar miteinander verknüpfte Begriffe; das ernste Streben nach Wahrheit muß Rechtsliebe zur Folge haben. Recht ist die Umsetzung der erkannten Wahrheit in Handlung und berechtigte Forderung an jeden sittlich denkenden Menschen. Unser Wahlspruch ist also für uns Auftrag, nach Erkenntnis der Wahrheit zu suchen und nach diesen Erkenntnissen zu leben; dies schließt ein, daß wir Gerechtigkeit üben. Solche Aufgabe ist nicht leicht. Was aber der einzelne nicht schaffen kann, vermag wohl eine festzusammenstehende Gemeinschaft erreichen, deren Glieder in echter Bruderliebe verbunden sind."

Wie der Wahlspruch, so ist auch der Text des Alanenliedes nur aus der Sicht der damaligen Zeit zu verstehen, mag er manchem heute auch befremdlich klingen. Aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt noch die unbedingte Satisfaktion (Duell), und zum Ansehen eines Akademikers gehörte, dass er Offizier der Reserve war. 1904/05 war die Zeit des "akademischen Kulturkampfes", Breslau war Teil des protestantischen Preußen, Kaiser Wilhelm II. war das Symbol für den preußisch-deutschen Militarismus.

Es war daher schon ein mutiges Bekenntnis, für seinen Glauben offen einzustehen und in einen katholischen Studentenverein einzutreten.
 

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