50 Jahre Alania - Breslau in Aachen

Ein Beitrag von AH Manfred Hagelüken zum 96. Stiftungsfest im Mai 2001

aus Anlass der Reaktivierung des K.St.V. Alania-Breslau 

in Aachen im WS 1950/51 am 26. Mai 1951


Aachen 1950:

An der Hochschule, die nach dem Kriege unter erschwerten Bedingungen den Lehrbetrieb wieder aufnehmen konnte, sind rund 3500 Studenten eingeschrieben, unter denen noch viele Kriegsteilnehmer sind, wie die vielen Militärkleidungsstücke unschwer erkennen lassen. Die Altersunterschiede in den Semestern liegen bei 10 bis 12 Jahren.
Auch die zukünftigen Alanen haben das Studium begonnen.

Die Hochschule ist noch, wie die Stadt selbst, vom Kriege gezeichnet. Die Institutsgebäude der Chemiker an der Kreuzung Templergraben mit Wüllnerstraße sind nur noch im Erdgeschoß beschränkt nutzbar. Bomben und Brandschäden an anderen Gebäuden sind weitestgehend behoben. Hörsäle sind knapp und deshalb oft überfüllt.

Die großen Gemeinschaftsvorlesungen, wie z.B. Experimentalphysik, Chemie, Mechanik, allgemeine Mathematik finden in der Aula statt. Sie ist überhaupt einer der größten Räume der Stadt und steht für Vorträge und kulturelle Veranstaltungen der Öffentlichkeit zur Verfügung, ebenso wie die ehemalige Talbothalle, die auf dem Gelände zwischen dem Hauptgebäude und der Turmstraße am Rande der damals dort angelegten Sportplätze stand.

Vorlesungspläne und Hörsaalzuteilungen sind vom Sekretariat gut vorbereitet. Wenn in Einzelfällen Raumgröße und Hörerzahl nicht in Einklang stehen, organisieren die Semestersprecher im Einvernehmen mit den Dozenten Umbelegungen. Die Zusammenarbeit mit den Professoren ist gut. Rektor ist der Physiker Prof. Dr. W. Fucks.

Wohnraum ist in der vom Kriege noch stark gezeichneten Stadt knapp. Zahlreiche Häuser sind noch unbewohnbar oder teilweise erst in den unteren Geschossen wieder nutzbar gemacht. Das vom Bomben und Brand stark geschädigte Rathaus, dessen Vorderfront zum Markt hin nach dem Kriege einzustürzen drohte, konnte durch Einziehen von Ankern zwischen Unter- und Obergeschoß gesichert werden. Die Restaurierung macht nun gute Fortschritte, so auch die weitestgehende Wiederherstellung der Rethel-Fresken im großen Rathaussaal.

Das Gotische Chor des Domes ist noch nicht wieder zugänglich. Von der benachbarten Kirche St. Foilan stehen nur noch Turm und Außenmauern des Schiffes.

St. Marien am Bahnhof ist eine Ruine, ebenso wie manches der öffentlichen Gebäude, der bekannten Badehäuser und viele der Häuser der Innenstadt und an den Ausfallstraßen.

 


 

Reges Leben geht aber trotzdem um. Studentenzimmer in der Stadt sind rar. Häufig bewohnen zwei Studenten ein mehr oder weniger großes Zimmer. Für Aachener Familien ist das Vermieten eine willkommene und oft auch notwendige Nebeneinnahme. Ehemalige Luftschutzbunker sind zu Wohnheimen für Studenten umgebaut. Unterkünfte in der Umgebung sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Straßenbahnen verkehren vom Elisenbrunnen aus zu den Grenzübergängen Vaals, Bildchen, Köpfchen, zum Bismarckturm, über Stolberg bis ins Vichttal, nach Kohlscheid und Herzogenrath und Oberleitungsbusse über Würselen, Alsdorf bis Baesweiler.

Mit der Bahn kommen die auswärts Wohnenden aus Richtung Neuss, Jülich, Köln, einige sogar aus dem Ruhrrevier zu den Vorlesungen.

Studentische Vereinigungen sind nach dem alliierten Kontrollratsgesetz noch verboten.

Das Bedürfnis, sich in studentischen oder auch sonstigen Gemeinschaften zusammenzuschließen, ist bei älteren und auch jungen Studenten stark verbreitet. So finden die Bemühungen der vordem in Aachen ansässigen Korporationen, sich mit Unterstützung der Altherrenschaften zu reaktivieren, großen Zuspruch.

Die katholischen Studentenverbindungen Carolingia und Wiking im KV, Frankonia und Kaiserpfalz im CV und der Unitasverband entstehen neu.

Einige können die alten Verbindungshäuser wieder beziehen oder neu erwerben. Studentenzimmer auf diesen Häusern erleichtern die Keilarbeit.

Im Aachener KV wird zunächst die Danziger Pruthenia im Sommersemester 1950 und Ende des Wintersemesters 1950/51 dank des unermüdlichen Einsatzes unseres Alten Herrn Staatsanwalt Alfred Dorn die Breslauer Alania mit der feierlichen Publikation am 26. Mai 1951 reaktiviert.

Und die Alanen können sich darüber freuen, daß die alte Fahne aus Breslauer Zeiten wieder aufgefunden worden war. Alter Herr Dorn hatte sie unter den Resten der nach dem Kriege geplünderten Festung Marienberg, zu der er mit Hilfe des Kartellbruders Dr. Popp Zutritt bekam, entdeckt und kurzentschlossen an sich genommen.

Die Gründungschargen stellen der Wiking mit Heinz Kautz (X, FM), Ernst Bier (VX) und die Carolingia mit Wolfgang Rüdiger (XX, XXX (Bild 1a).

Gastgebende Korporation ist der Wiking, auf dessen Haus Convente und Kneipen stattfinden können und mit dessen Aktivitas sich gut freundschaftliche Beziehungen entwickeln.

 


 

 

 

Bild 1a: SS 1952 Publikationskommers in der mensa academica.  Die Gründungschargen v.l.n.r.
Ernst Bier (VX), Heinz Kautz (X, FM)
Wolfgang Rüdiger (XX, XXX).

Bild 1b: WS 1951/52 auf dem Wikinghaus.
v.l.n.r.
Rudolf Schaffranek (VX) - Nachfolger von Ernst Bier,
Heinz Kautz (X), Wolfgang Rüdiger (FM).

 

Förderlich für das Erwachsen einer bundesbrüderlichen Gemeinschaft ist die Teilnahme der in näherer und auch weiterer Umgebung lebenden Breslauer Alten Herren, mit denen AH Alfred Dorn (Bild 2) die Bande wieder geknüpft hat. Hier sei erinnert u.a. an die Alten Herren Dr. med. Erich Droste, Dr. med. Günter Freisel, Rechtsanwalt Thomas Kaffanke (Bild 3), Dipl.-Ing. Hans Stuckmann, Rechtsanwalt Dr. Reinhold Teicher und Studienrat Robert Thiell.

 

 

 

Bild 2: Kneipe SS 1952.
v.l.n.r.
?, AH Alfred Dorn, Eberhard Lindner.

 Bild 3: Alanenkneipe SS 1952.
v.l.n.r. Manfred Hagelüken, AH Thomas Kaffanke,
Andreas Guntermann

 


 

So wie in der Alania blüht und gedeiht das Korporationsleben in allen Studentenverbindungen, deren Zahl sich in Aachen inzwischen etwa verdoppelt hat.

Geschlossenes Auftreten und Farbentragen in der Öffentlichkeit bleiben aber weiterhin untersagt, wenn auch im Hochschulbereich bei festlichen Anlässen schon farbentragende Studenten zu sehen sind.

Den Wandel brachte die Reliquienprozession als Abschlußveranstaltung der Aachener Heiligtumsfahrt im Sommer 1951.
Die katholischen Verbindungen wollten geschlossen mit Chargierten und Fahnen an dieser vom Dom über den Markt durch die Innenstadt wieder zum Dom ziehenden Prozession teilnehmen, was auch erlaubt wurde.

Alle anderen Aachener Korporationen beschlossen daraufhin, in Farben Spalier zu stehen. Es war ein überwältigender Eindruck, die korporierte Studentenschaft an diesem Tage zu erleben. Reaktion der Aachener Bürger: "Unsere Studenten sind wieder da!" (Bild 4)

 

 

 

 

  Bild 4: Reliquien-Prozession zum Abschluß der Aachener
Heiligtumsfahrt Sommer 1951.
Alania mit Fahne v.l.n.r.
Ernst Bier (VX), Heinz Kautz (X), Manfred Hagelüken
davor ohne Fahne: Pruthenia-Danzig.

Bild 5: Fronleichnamsprozession 1952.
v.l.n.r. Bernd Imhoff (FM), Manfred Hagelüken (X), 
Andreas Guntermann (XX).

 

 

Auf dem Markt defilierte die Prozession an den auf der Freitreppe versammelten zahlreichen Bischöfen und Honoratioren vorbei.

Bei der Abschlußfeier im Dom war das rechtzeitig zur Heiligtumsfahrt restaurierte gotische Chor von den Fahnenabordnungen der Vereine und Gemeinschaften und den Chargierten der katholischen Aachener Korporationen gefüllt.


Das Kontrollratsgesetz war auch in diesem Punkte unterlaufen. Es gab keine Einwendungen seitens der auch in Aachen stationierten Besatzungsmächte. Die Teilnahme der katholischen Korporationen an den großen, durch die Innenstadt ziehenden Fronleichnamsprozessionen ist von jetzt an selbstverständlich.
(Bild 5)

 


 

Zwei Semester konnte sich die junge Alania unter der tatkräftigen und bewährten Leitung durch die von Wiking und Carolingia gestellten Chargen festigen. Schon bald fanden erste Veranstaltungen mit Damen statt, wie der Ball zum Stiftungsfest oder das Nikolaus-Tanzfest.

Die Tanzstunde wurde für Aktive Pflicht. Töchter Aachener Familien, Schülerinnen der Oberstufen von St. Ursula und St. Leonard und Töchter der Alten Herren wurden ständige Gäste. Alania konnte sich bald eines liebreichen "Damenflors" erfreuen; - und mancher Lebensbund wurde damals geschlossen.

Im Sommer 1952 fand das erste selbständige Stiftungsfest im Restaurant der Walfisch-Brauerei (Ecke Pontstraße/Marienbongard) statt. Die ersten Chargen aus eigenen Reihen waren:
Manfred Hagelüken (X), Rudolf Schaffranek (VX), Bernd Imhoff (FM), Hans Borg (XXX), Andreas Guntermann (XX). (Bild 6) 

 

 

 

 

 Bild 6: SS 1952
v.l.n.r. Hans Borg, Rudolf Schaffranek (VX),
Manfred Hagelüken (X), Bernd Imhoff (FM),
Andreas Guntermann.

Bild 7: SS 1952
Die Chargierten des Aachener KV v.l.n.r.
2 x Wiking, 2 x Carolingia, Manfred Hagelüken (X)
Aln, Andreas Guntermann (XX) Aln, 1 x Pruthenia.

 

Die KV-Verbindungen Carolingia, Wiking, Pruthenia und Saxo-Lusatia chargierten beim Festkommers; und der Senior konnte Vertreter von 32 Aachener Korporationen begrüßen, sie waren nahezu vollständig vertreten. Ansprachen auf dem Festkommers hielten unsere Alten Herren Weihbischof Josef Ferche und Dr. med. Erich Droste. (Bilder 8-9)

 

 

 

 Bild 8: SS 1952 - Erstes selbständiges Stiftungsfest der
Alania im Restaurant "Walfisch"
AH Weihbischof Josef Ferche bei seiner Ansprache.

Bild 9: SS 1952 - Stifungsfest im Restaurant "Walfisch"
v.l.n.r.
AH Weihbischof Josef Ferche, AH Dr. Erich Droste.

 

 

 

Bild 10: WS 1951/52 - Alanenkneipe auf dem Wikinghaus
v.l.n.r. Eberhard Lindner, Erwin Tuxhorn (?), Rudolf
Schaffranek, AH Alfred Dorn, ?, Manfred Hagelüken.

Bild 11: WS 1951/52 - Alanenkneipe auf dem Wikinghaus,
stehend: AH Alfred Dorn 
 

 


 

Seit 50 Jahren besteht Alania-Breslau jetzt in Aachen, nun schon rund zwei Jahrzehnte länger, als sie an der Stätte ihrer Gründung in Breslau ab 1905 hat aktiv sein können. Gelegentliche Tiefpunkte und Krisen wurden überwunden, ein Haus gebaut.

Am neuen Hochschulort kann sie inzwischen auf eine eigene Tradition zurückblicken. Dank gilt der Breslauer Altherrenschaft mit ihren Damen für geistige und, soweit es in den für viele entbehrungsreichen Jahren der Nachkriegszeit möglich war, auch materielle Unterstützung. Die ersten Schärpen und Zerevis wurden von den Damen gestiftet.

Ganz besonders ist das entschlossene, tatkräftige Handeln des Alten Herrn Staatsanwalt Alfred Dorn zu würdigen. Er starb Anfang diesen Jahres im 96. Lebensjahr.

Zielstrebig hat er die Reaktivierung seiner Alania in Aachen vorbereitet, die Alten Herren aus der schlesischen Heimat wieder zusammengeführt, auch die Fäden zu den zunächst in der DDR lebenden Bundesbrüdern geknüpft und den jungen Aktiven stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

 

Möge Alania eingedenk ihres Ursprungs und getreu dem Wahlspruch "Für Wahrheit und Recht" auch in Zukunft wachsen, blühen und gedeihen.

 


 

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